17.02.18

Kammer-Wege

Alle Wege führen angeblich nach Rom. Meiner hingegen führte mich seit 2001 Schritt für Schritt in die Wirtschaftskammer. Zuerst lernte ich diese Institution als Mitarbeiterin einer wahlwerbenden Gruppe kennen und durfte als Zustellungsbevollmächtigte die Luft am Stubenring schnuppern. Beim Öffnen der Kuverts mit den Stimmzetteln zuletzt anno 2010 wurde ich nebst anderen BeobachterInnen von sämtlichen jemals amtierenden Präsidenten in Öl beäugt. Dieses Schauspiel durchlief ich zwei Mal.

Die letzten 2 ½ Jahre war ich ein so genanntes EPU  oder anders gesagt: eine Ein-Personen-Unternehmerin mit Schwerpunkt auf Text, Story und Social Media. Und wie es der Zufall so wollte, kam ich als Mitglied der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation in den Genuss eines Frühstücks mit dem Präsidenten. Diesmal saß ich unter den Augen der PräsidentInnen – Brigitte Jank war mittlerweile auch Teil der Bildergalerie – und tatsächlich Auge in Auge mit Walter Ruck. Mein Sitzplatz war ihm direkt gegenüber. Seither weiß ich, dass er lieber Tee als Kaffee trinkt.

Wenn ich noch ein wenig weiter zurückblicke, war mir die Wirtschaftskammer an sich nie eine Fremde. Als eine in einem Familienunternehmen groß Gewordene nahm ich die Kammer in Niederösterreich zumindest durch ihre regelmäßig erscheinende Zeitung und die Erzählungen meines Vaters wahr. Er war mehr als 20 Jahre lang Wirtschaftsbundobmann – für mich lange ein Synonym für die Kammer an sich. Dass sich dahinter eine breitere Vielfalt versteckte, lernte ich erst später.

Apropos Wege: Mein Weg zur Arbeit ist ein kurzer. Das wird sich auch nicht ändern, wenn die WK Wien ihren Sitz in die Walcherstraße verlegen wird. Derzeit brauche ich von zu Hause zu Fuß knappe 20 Minuten von Tür zu Tür. Bringe ich unseren Sohn zuvor in die Schule, sind es von dort gar nur noch knappe 10 Minuten Fußmarsch bis zum Stubenring. Und weil ich da grad so schön im Gehen bin, nehme ich in 99 % der Fälle auch die Stiegen und nicht den Lift. Der ist entweder ohnehin gerade unterwegs oder verspricht eher voll zu werden. Somit sehe ich die vier Etagen bis zu meinem Büro als sportliche Herausforderung. Noch bin ich nicht schneller geworden. Aber kommt Zeit, kommt Kondition.

18.12.17

Lange Leitung

Es war die Zeit der neon-farbenen Schianzüge, der wasserstoffblonden Meschen, der schwarzen Lidstriche und gestreiften Jeans, der Nietengürtel, Netzleiberl und Jogging High. Auf Ö3 liefen Duran Duran, Pet Shop Boys, Madonna, Milli Vanilli und Michael Jackson. Udo Huber präsentierte ‚Die großen 10’ im Overall. Wir trugen die Haare dauergewellt, auffrisiert und mit reichlich Haarspray fixiert.

„Fasse dich kurz“, war jener Satz, den mein Papa damals stets gebrauchte, wenn er mein Ohr in Teenagertagen am Telefonhörer hängen sah. Und ich hing wirklich oft und lange in der Leitung, die in den 1980er-Jahren noch eine geschäftliche war und tunlichst frei zu bleiben hatte, um Nachrichten über Waschmaschinenstörungen, FI-Schutzschalterprobleme oder andere Herausforderungen in Sachen Elektroinstallation entgegenzunehmen.

Dazu kam noch, dass Telefonieren in meiner Kindheit und Jugend eine eher kostspielige Angelegenheit war (so hieß es zumindest). Wir hatten kein kostengünstigeres Viertel-Telefon. Insofern kannte ich das bange Warten auf eine freie Leitung, an der bis zu drei andere Haushalte hingen, nur vom Hörensagen. Meine Schulfreundin Elke, die das Ziel meiner Anrufe war (oder ich eben ihrer) hatte auch einen so genannten vollen Anschluss. Das hing – meiner Erinnerung nach – ursächlich damit zusammen, dass ihr Vater bei der Post arbeitete und für Telefone bzw. deren Entstörung zuständig war. Von der Qualität der Leitungen her waren wir also durchaus privilegiert. Bei ihr mahnte jedoch niemand die Kürze der Telefongespräche ein.

„Was habt ihr euch so viel zu erzählen? Ihr seht euch ja eh morgen in der Schule wieder“, hieß es bei uns zu Hause. Dass es Dinge zu besprechen gab, die sich für die kurzen Pausen in der Schule nicht eigneten bzw. den zeitlichen Rahmen einfach sprengen würden, wollte meine Eltern nur schwer glauben. Und so musste ich fast jedes Telefonat verteidigen bzw. vor Beginn der Redezeit versprechen, es kurz zu halten. Dass Zeit relativ ist, war mir schon damals klar. Meine Minuten dauerten eindeutig länger als die der Erwachsenen.

Ich beneidete jene Kids, die ich aus in den USA gedrehten Videofilmen kannte: Sie entrollten einfach das Kabel und entschwanden mit dem Telefon in ihr Zimmer. Das ging nicht. Unser Telefon war lange Zeit an die Wand montiert. Ich stand meist an ebendiese gelehnt am Gang neben dem Stiegenhaus und hatte im Winter stets einen dicken Pullover und zwei Paar Socken an, um den gedämpften Temperaturen außerhalb der Wohnräume standzuhalten. Mobiltelefone existierten in den 1980er-Jahren nicht einmal in meinen kühnsten Vorstellungen; auch wenn ich damals viel Science Fiction im Fernsehen oder auf Video sah und in Büchern las.

Heute fasse ich mich freiwillig kurz. Grund dafür sind nicht die Kosten: 1000 Freiminuten würden viele Endlostelefonate mit Freundinnen erlauben. Doch hat mir die Mobiltelefonie das Telefonieren etwas vermiest. Ob es nur an der fehlenden Leitung liegt? Kaum. Eher an der in Ohr und Kopf spürbaren Hitze, die das Telefon abgibt. Sie ist eines der Hauptargumente für meine Zurückhaltung beim Telefonieren. Außerdem lässt sich viel auch mit SMS oder Whatsapp „besprechen“. Mit manchen Menschen kommuniziere ich fast ausschließlich auf diesem Weg.

Anfang letzter Woche hing ich übrigens mit meiner bereits genannten Schulfreundin wieder an der mobilen Leitung. Da ich Kopfhörer schon vor mehreren Jahren als wichtiges Zusatz-Tool von Mobiltelefonen entdeckt habe, war das Smartphone weit genug vom Ohr weg, um mein Gehirn auf Normaltemperatur zu halten. Unser Gespräch dauerte so lange wie einst – gute eineinhalb Stunden. Wir tun es zwar nicht mehr täglich, aber zumindest zwei bis drei Mal pro Jahr. Und es ist fast wie in alten Zeiten – auch ohne Lidstrich und Drei-Wetter-Taft.

03.08.17

Kein Sommer wie damals

„Die Hitze der Stadt ist im Sommer brutal. Weil man fürchterlich matt ist, wird das Leben zur Qual.“
Was Rainhard Fendrich anno 1982 sang, war für mich nur bedingt nachvollziehbar – zumindest, so lange ich im Waldviertel lebte. Damals hieß es noch: Es gibt maximal zwei eisfreie Tage dort oben. Und die waren sicher nicht im August. Denn ab August hieß es spätestens am Abend: Jeans aus dem Kasten holen und einen Pullover mitnehmen. Es wird „huschi“.

Doch zurück zur Qual: Bis ich fünfzehn oder sechzehn war, fuhr ich jeden Sommer für zwei Wochen zur Oma nach St. Pölten. Es war an ihrem Küchentisch, wo ich den Liedtext nach und nach auf einem Blatt Papier vervollständigte – aufmerksam mithörend, wenn das Lied wieder auf Ö3 lief. Und das alles, um den damaligen Sommerhit laut mitträllern zu können.

St. Pölten ist zwar nicht Wien. Aber für eine geborene Waldviertlerin spürte sich die Stadt an manchen Tagen und besonders manchen Nächten unerträglich heiß an. Meines Wissens kratzte das Thermometer jedoch nur äußerst selten an der 30-Grad-Marke. Omas Wohnung hatte zwei Zimmer, eine Küche, ein Bad und eine Toilette. Das Schlafzimmer teilten wir uns in jenen Tagen zu viert: meine Oma, mein Onkel, meine Schwester und ich. Zwar waren beide Fenster geöffnet, doch wie in großen Städten und ihren Innenstädten üblich, kühlte es dank des vielen Betons uns Asphalts nur bedingt ab. Das ist in Wien dieser Tage nicht anders. Mit dem Unterschied, dass die Außentemperaturen derzeit weit über 30 Grad liegen und sich unsere Wohnung bereits auf 28 Grad erhitzt hat. Dazu kommen in den 1980er-Jahren noch unbekannte Tropennächte hinzu. In solchen Nächten sinkt die Temperatur nicht mehr unter 20 Grad Celsius, sondern bleibt oft noch deutlich darüber.

„Darum strömen die Blassen zu den städtischen Kassen, denn die Frische, die hat man nur in einem Bad“, sang Fendrich weiter. Damals fuhren wir mit meinem Onkel an jedem regenfreien Tag ins Kaltbad. Ich erinnere mich noch gut an die Tage, an denen ich mit meiner Schwester unseren Mut erprobte. Wenn es ein Wettkampf gewesen wäre, hätte sie eindeutig gewonnen. Der erste Sprung ins Wasser war vom Ein-Meter-Brett, der nächste dann vom Drei-Meter-Brett. Eine Herausforderung, der ich mich erst nach viel inneren Monologen, die mir Mut zusprachen, stellte. Und als ich ein paar Mal von dort gesprungen war, wagte ich mich gemeinsam mit ihr auch an das Fünf-Meter-Brett. Ich stand damals eine gefühlte Ewigkeit oben, bis ich endlich sprang. Einmal und nie wieder – glaube ich mich zu erinnern. Meine Schmerzgrenze war schon bei drei Metern erreicht gewesen. Den um zwei Meter höher gelegenen Kick brauchte ich nicht unbedingt.

Einmal und nie wieder – das würde ich auch gerne zu den immer häufiger werdenden Tagen mit mehr als 30 Grad in Wien sagen. Als ich vor 27 Jahren hierher zog, gab es Temperaturen über 30 Grad im Sommer nur äußerst selten. Einmal und nie wieder soll es 30 Grad in der eigenen Wohnung haben. 2015 hatten wir diese magische Grenze erreicht. Heuer sind wir noch zwei Grad drunter – noch.

Doch so lange weiterhin CO2 in die Luft „gepumpt“ wird, kann sich an der Lage der StädterInnen nichts ändern. Je mittiger sie wohnen, desto heißer. Ein Altbau ohne Wärmeisolierung oder Dachdämmung heizt zusätzlich ein. Werden die CO2-Emissionen nicht reduziert, setzt sich der Klimawandel ungebremst fort. Und dann wird es laut ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) zwischen 2021 und 2050 in Wien 19,3 Hitzetage geben. Und zwischen 2071 und 2100 könnten es bereits 41 werden. Da wird unser Sohn an die sechzig Jahr alt sein.
So kam es, dass ich heute freiwillig in ein Einkaufszentrum flüchtete, um mich abzukühlen. Wohl wissend, dass Klimaanlagen in Einkaufszentren, Geschäften und vermehrt auch in Wohnungen die Luft erst recht aufheizen – ein Teufelskreis.

2015 habe ich mir geschworen: „Ich will keinen derart heißen Sommer mehr in Wien verbringen müssen.“ – Mein Fazit heute: Ich werde mich wieder engagieren, um die Auswirkungen des Klimawandels zu dämmen. Wie und wo wird sich noch zeigen. Der erste Anfang ist seit Jahren gemacht: Verzicht auf ein Auto, lieber Bahn als Flugzeug. Ist das genug? Wenn noch mehr Menschen ihre Wege so gehen bzw. fahren würden, wäre das sicher positiv. Selbst wenn das natürlich nur ein Tropfen auf den viel zitierten heißen Stein ist. Vertikale Begrünung in Städten und ausschließlich Elektroautos auf den Straßen sind hoffentlich bald Realität und nicht nur mein Wunschtraum.

Jedenfalls will ich nicht tatenlos zusehen und unserem 6-Jährigen noch weitere Hitzerekorde erleben lassen müssen. Die aktuellen heißen Tage genießt er bei den Großeltern im Waldviertel.
Seine Generation soll nicht sagen: „Ihr habt es ja gewusst. Warum habt ihr nichts dagegen gemacht?“