„Die Hitze der Stadt ist im Sommer brutal. Weil man fürchterlich
matt ist, wird das Leben zur Qual.“
Was
Rainhard Fendrich anno 1982 sang, war für mich nur bedingt nachvollziehbar –
zumindest, so lange ich im Waldviertel lebte. Damals hieß es noch: Es gibt
maximal zwei eisfreie Tage dort oben. Und die waren sicher nicht im August.
Denn ab August hieß es spätestens am Abend: Jeans aus dem Kasten holen und
einen Pullover mitnehmen. Es wird „huschi“.
Doch zurück
zur Qual: Bis ich fünfzehn oder sechzehn war, fuhr ich jeden Sommer für zwei
Wochen zur Oma nach St. Pölten. Es war an ihrem Küchentisch, wo ich den
Liedtext nach und nach auf einem Blatt Papier vervollständigte – aufmerksam
mithörend, wenn das Lied wieder auf Ö3 lief. Und das alles, um den damaligen
Sommerhit laut mitträllern zu können.
St. Pölten
ist zwar nicht Wien. Aber für eine geborene Waldviertlerin spürte sich die
Stadt an manchen Tagen und besonders manchen Nächten unerträglich heiß an.
Meines Wissens kratzte das Thermometer jedoch nur äußerst selten an der
30-Grad-Marke. Omas Wohnung hatte zwei Zimmer, eine Küche, ein Bad und eine
Toilette. Das Schlafzimmer teilten wir uns in jenen Tagen zu viert: meine Oma,
mein Onkel, meine Schwester und ich. Zwar waren beide Fenster geöffnet, doch
wie in großen Städten und ihren Innenstädten üblich, kühlte es dank des vielen
Betons uns Asphalts nur bedingt ab. Das ist in Wien dieser Tage nicht anders.
Mit dem Unterschied, dass die Außentemperaturen derzeit weit über 30 Grad
liegen und sich unsere Wohnung bereits auf 28 Grad erhitzt hat. Dazu kommen in
den 1980er-Jahren noch unbekannte Tropennächte hinzu. In solchen Nächten sinkt
die Temperatur nicht mehr unter 20 Grad Celsius, sondern bleibt oft noch
deutlich darüber.
„Darum strömen die Blassen zu den städtischen Kassen, denn die
Frische, die hat man nur in einem Bad“, sang
Fendrich weiter. Damals fuhren wir mit meinem Onkel an jedem regenfreien Tag
ins Kaltbad. Ich erinnere mich noch gut an die Tage, an denen ich mit meiner Schwester
unseren Mut erprobte. Wenn es ein Wettkampf gewesen wäre, hätte sie eindeutig
gewonnen. Der erste Sprung ins Wasser war vom Ein-Meter-Brett, der nächste dann
vom Drei-Meter-Brett. Eine Herausforderung, der ich mich erst nach viel inneren
Monologen, die mir Mut zusprachen, stellte. Und als ich ein paar Mal von dort
gesprungen war, wagte ich mich gemeinsam mit ihr auch an das Fünf-Meter-Brett.
Ich stand damals eine gefühlte Ewigkeit oben, bis ich endlich sprang. Einmal
und nie wieder – glaube ich mich zu erinnern. Meine Schmerzgrenze war schon bei
drei Metern erreicht gewesen. Den um zwei Meter höher gelegenen Kick brauchte
ich nicht unbedingt.
Einmal und
nie wieder – das würde ich auch gerne zu den immer häufiger werdenden Tagen mit
mehr als 30 Grad in Wien sagen. Als ich vor 27 Jahren hierher zog, gab es Temperaturen
über 30 Grad im Sommer nur äußerst selten. Einmal und nie wieder soll es 30
Grad in der eigenen Wohnung haben. 2015 hatten wir diese magische Grenze
erreicht. Heuer sind wir noch zwei Grad drunter – noch.
Doch so
lange weiterhin CO2 in die Luft „gepumpt“ wird, kann sich an der
Lage der StädterInnen nichts ändern. Je mittiger sie wohnen, desto heißer. Ein
Altbau ohne Wärmeisolierung oder Dachdämmung heizt zusätzlich ein. Werden die
CO2-Emissionen nicht reduziert, setzt sich der Klimawandel
ungebremst fort. Und dann wird es laut ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie
und Geodynamik) zwischen 2021 und 2050 in Wien 19,3 Hitzetage geben. Und
zwischen 2071 und 2100 könnten es bereits 41 werden. Da wird unser Sohn an die
sechzig Jahr alt sein.
So kam es,
dass ich heute freiwillig in ein Einkaufszentrum flüchtete, um mich abzukühlen.
Wohl wissend, dass Klimaanlagen in Einkaufszentren, Geschäften und vermehrt
auch in Wohnungen die Luft erst recht aufheizen – ein Teufelskreis.
2015 habe
ich mir geschworen: „Ich will keinen
derart heißen Sommer mehr in Wien verbringen müssen.“ – Mein Fazit heute:
Ich werde mich wieder engagieren, um die Auswirkungen des Klimawandels zu
dämmen. Wie und wo wird sich noch zeigen. Der erste Anfang ist seit Jahren
gemacht: Verzicht auf ein Auto, lieber Bahn als Flugzeug. Ist das genug? Wenn
noch mehr Menschen ihre Wege so gehen bzw. fahren würden, wäre das sicher
positiv. Selbst wenn das natürlich nur ein Tropfen auf den viel zitierten
heißen Stein ist. Vertikale Begrünung in Städten und ausschließlich Elektroautos
auf den Straßen sind hoffentlich bald Realität und nicht nur mein Wunschtraum.
Jedenfalls
will ich nicht tatenlos zusehen und unserem 6-Jährigen noch weitere
Hitzerekorde erleben lassen müssen. Die aktuellen heißen Tage genießt er bei
den Großeltern im Waldviertel.
Seine
Generation soll nicht sagen: „Ihr habt es
ja gewusst. Warum habt ihr nichts dagegen gemacht?“